Das Regionalmuseum und das heutige Český Krumlov durch die Augen von Filip Lýsek
Der in České Budějovice geborene Filip Lýsek ist seit 2011 Direktor des Regionalmuseums in Český Krumlov. Anfang Juni, nach den ersten Lockerung der staatlichen Corona-Maßnahmen, haben wir uns darüber unterhalten, dass die Bewohner jetzt die Möglichkeit haben, die Altstadt für sich neu zu entdecken, die trotz ihrem unermesslichen historischen Wert kein wirklich lebenswerter Ort ist. Wir haben uns auch über ein einmaliges Stadtmodell aus Keramik, das Angeln im Stadtzentrum und den Charme von billigen Kneipen unterhalten.
Warum sollten Touristen in Český Krumlov den Besuch des Regionalmuseums einplanen?
Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Neben thematischen Ausstellungen und Events sind es unsere außergewöhnlichen Exponate, die das Fundament der Dauerausstellungen bilden. Eines davon ist die barocke Jesuiten-Apotheke, die ein komplett erhaltenes barockes Mobiliar aus der Mitte des 17. Jahrhunderts repräsentiert, von denen in Tschechien nur wenige erhalten geblieben sind. Das zweite außergewöhnliche Exponat ist das Modell der historischen Altstadt von Český Krumlov, welches das ideale Aussehen der Stadt rund um das Jahr 1800 repräsentiert. Die Besucher erhalten ein getreues Bild über die Stadtplanung und das damalige Aussehen der Stadt. Gleichzeitig bietet das Modell einen wertvollen Orientierungspunkt, da die Struktur des Größtenteils erhaltenen städtischen Verbaus und das Verhältnis der Entfernungen sowie das Höhenprofil der Stadt mit ungewöhnlich hoher Genauigkeit dargestellt werden.
Das klingt wahrlich einzigartig. Gibt es irgendwo noch ein ähnliches Modell?
Ich wage es zu behaupten, dass es europaweit kein zweites Modell in ähnlicher Ausführung und ähnlichem Maßstab gibt. Das Modell umfasst knapp 800 Bauwerke auf 56 Hektar Fläche der städtischen Denkmalschutzzone, die 1992 in die UNESCO-Welterbeliste eingetragen wurde. Die Geschichte dieses Modells reicht bis in die 1970-er Jahre zurück. Die Autoren, Ing. arch. Petr Pešek und die Keramik-Meisterin Jana Pešková, wählten damals ein ungewöhnliches Herstellungsverfahren, da die einzelnen Bauwerke sowie der Geländeverlauf aus gefärbtem, gebranntem Ton angefertigt wurden. Diese Technik ist besonders anspruchsvoll und stellt die Macher vor ungeheure Herausforderungen. Doch diese konnten gemeistert werden und heute gehört das Modell völlig zu Recht zu den wertvollsten und beliebtesten Ausstellungsstücken.
Da mussten die beiden Autoren wirklich mit Leidenschaft dabei sein und wahrscheinlich auch eine Schwäche für Český Krumlov haben. Wie stehen Sie zu dieser Stadt und der Region?
Ich stamme zwar nicht aus Český Krumlov, aber meine Eltern haben sich hier kennengelernt und haben hier auch mehrere Jahre lang gelebt. Schon als Kind kehrte ich mit ihnen nach Český Krumlov oft zurück und verbrachte in dieser Region eine schöne Zeit – beim Campen in freier Natur, beim Zelten und in den Ferien bei meinen Großeltern in der kleinen Gemeinde Omlenice, unweit von Kaplice. Český Krumlov und der Blánský Wald sind mir sehr vertraut und waren mir häufig „zum Greifen nahe“. Ich hatte und habe hier auch viele enge Freunde. Nach meinem Studium an der Universität in Olomouc bot sich mir die Möglichkeit an, nach Südböhmen zurückzukehren und den Job meiner Träume auszuüben. Also erst einen Job im Kulturbereich und danach in einem Museum, und darüber hinaus in meiner Heimat. Deshalb kehrte ich hierher zurück und arbeite nun schon seit 9 Jahren im Museum.
Als jemand, der mit Český Krumlov eingehend vertraut ist, gleichzeitig jedoch auch den notwendigen Abstand hat ... Können Sie uns sagen, worin der Charme dieser Stadt liegt?
Der Charme von Český Krumlov ist nicht künstlich herbeigeführt, sondern geht auf mehrere Faktoren zurück. Einerseits ist es dem Status eines beliebten Touristenziels zu verdanken. Die zweitgrößte Burg- und Schlossanlage in Böhmen, eine kompakte historische Altstadt mit intakt erhaltenen historischen Denkmälern, eine Stadt in der UNESCO-Welterbeliste und ein abwechslungsreiches Kulturprogramm! Das alles sind objektive Gründe, um Český Krumlov zu besuchen. Andererseits gilt, dass Český Krumlov auch einen subjektiven Charme hat, der mit dem spezifischen Genius Loci dieses Ortes zusammenhängt. Und diesen kennen eher wir, die sich in der Stadt auch außerhalb der Hauptsaison aufhalten. Schließlich haben die Corona-Maßnahmen gezeigt, dass die menschenleere Stadt mit geschlossenen Betrieben nichts von ihrem Charme einbüßt – eher im Gegenteil.
Was hat sich in der Stadt oder am Verhalten der Bewohner nach der Coronakrise geändert?
Die Bewohner haben jetzt die Möglichkeit, das Stadtzentrum wieder für sich zu entdecken. Mir fällt auf, dass jetzt Raum herrscht für kleinere, eher unübliche Kulturevents, dass die Straßen wieder belebt werden und nachbarschaftliche Feste stattfinden. Die Bewohner, die unser Museum besuchen, sagen uns, dass sie irgendwie zufriedener sind, da sie jetzt endlich die Altstadt besuchen und in Ruhe erkunden können.
Wie lautet Ihre Meinung zu der Situation, die in Český Krumlov vor der Pandemie herrschte?
Alle, die in der Stadt im Bereich des Destinationsmanagements oder Transports arbeiten, sind sich dessen bewusst, dass die Stadt nicht derart überlastet werden kann. Ich glaube, dass die Absorptionskapazität der Altstadt absolut entscheidend ist. Das gilt nicht nur für die Straßen und Wege, sondern auch die Verfügbarkeit von Dienstleistungen. Deshalb hat man sich, aus meiner Sicht völlig berechtigt, entschieden, den Verkehr in der Altstadt zu regulieren. Mit einem ähnlichen Ziel wurde auch die Regulierung des Parkens von Touristenbussen eingeführt. Beide Maßnahmen sind recht neu und meiner Meinung nach ist es zu früh, um die langfristigen Auswirkungen auswerten zu können. Richtungsweisende Daten werden uns erst im zwischenjährlichen Vergleich zur Verfügung stehen.
Welche sind Ihre Lieblingsorte in Český Krumlov?
Ich liebe Wasser und suche die Nähe zum Fluss, und deshalb liegen meine Lieblingsorte an den Mäandern der Moldau. Als leidenschaftlicher Angler kenne ich auch in der hektischen Altstadt mehrere ruhige Plätzchen, wo sich Fische und Angler gleichermaßen wohl fühlen. Wenn ich jedoch die Gesellschaft von Menschen suche, dann wähle ich – neben Kulturevents – ein „rustikaleres“ Ambiente, reich an regionalen Bräuchen und Traditionen. Und dies findet man in Bierlokalen und Kneipen – wo sonst. Die systematische Forschung, die ich mit einigen Freunden in diesem Bereich betreibe, wurde sogar schon in Buchform veröffentlicht. Doch man muss anmerken, dass Betriebe von dieser Art langsam verschwinden, aber es gibt sie noch. Wenn Sie auch das authentische Ambiente eines klassischen Bierlokals erleben möchten, dann kann ich Ihnen das legendäre „Hostinec U Dušků“ beim Budweiser-Stadttor empfehlen.
Das ist ein ziemlich mutiger Tipp ...
Vielleicht. (lacht). Andererseits muss man anmerken, dass in Český Krumlov jedes Jahr unzählige Kulturevents stattfinden. Es gibt auch viele Museen und Ausstellungsräume in der Stadt. Man braucht nur zu schauen, was beispielsweise die Český Krumlov Card anbietet, deren Partner wir sind. Damit möchte ich zu unserem Museum zurückkehren, wo Sie zu einem Preis nicht nur eine umfassende landeskundliche Ausstellung, sondern jedes Jahr auch sechs bis acht thematische Ausstellungen besuchen können, die über die Grenzen der Region hinausreichen. Bei uns kommen Besucher sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland auf ihre Kosten. In diesem Zusammenhang würde ich Sie gerne zu zwei laufenden Ausstellungen einladen: „Unser Motto lautet: Bewegung“ zum 100. Jubiläum des Klubs tschechischer Touristen START in Český Krumlov und zur Ausstellung „Bekannte, unbekannte Südböhmische Architektur des 20. Jahrhunderts“, die den bedeutendsten, im vorigen Jahrhundert in Südböhmen errichteten Bauwerken gewidmet ist.